Waldbaden – Was soll das eigentlich sein?

Wenn ich erzähle, dass ich „waldbade“ und darüber auch noch hier und in meinem Buch schreibe, blickt mich oft ein leicht verwirrtes Gegenüber an. Im Laufe des Gesprächs kommt dann auf die ein oder andere Weise immer die Frage: „Waldbaden, was soll das eigentlich sein?“ Ist das jetzt nur Marketing-Bla der Tourismusbranche für Altbekanntes? Weil es jetzt doch schon häufiger so war, dachte ich mir, ich schreibe einen kleinen Beitrag dazu. Dann kann ich auch für meine Leser hier erklären, was ich unter Waldbaden verstehe. Zu den positiven Wirkungen des Waldbadens bzw. des Draußenseins auf die Gesundheit habe ich auf dem Blog eine kleine Info-Serie gestartet.

Wirft man einen Blick in die aktuelle Presse (z.B: neulich im Tagesspiegel oder den Tagesthemen) und auch gerne beim Buchhändler seines Vertrauens in die neuen Veröffentlichungen zum Thema Achtsamkeit/Meditation bekommt man schnell den Eindruck, dass Waldbaden der neue Hype im Wellness-Bereich wird/ist. Man muss wissen, dass Waldbaden kein geschützter oder klar definierter Begriff ist und so jeder etwas Anderes damit verbindet. Allein das führt natürlich schon dazu, dass unter diesem Obergriff viele Bücher zu irgendetwas erscheinen und man selbst das gar nicht so kategorisieren würde.

Gemeinhin ist beim „Waldbaden“ – und das ist auch mein Verständnis davon – ein Waldspaziergang mit allen Sinnen gemeint. Das heißt, dass die mentale Einstellung zu dem Waldspaziergang eben nicht nur die eines „einfach durch den Wald laufen“ ist. Vielmehr versucht man, auch mit Methoden aus dem Achtsamkeits-/Meditationsumfeld, seinen Fokus gezielt auf diese Waldumgebung zu lenken und die Reize, die von der Umgebung ausgehen, bewusst und tief in sich aufzunehmen:

  • Das kann etwa dadurch passieren, dass man seine Aufmerksamkeit stärker auf den Tastsinn lenkt, z.B. Bäume/Rinde/Farne/Moos/… anfasst und dadurch ein anderes haptisches Erlebnis als im Alltag erfährt.
  • Oder man achtet vermehrt auf die Geräuschkulisse und nimmt das Brummen von Insekten oder das Knarzen der Bäume bewusst als etwas Schönes und Beruhigendes wahr.
  • Auch die Beschaffenheit des Untergrunds auf dem man federnd gehen kann, hilft einem durch die Abweichung zum städtischen Alltag (Teer/Betonstraßen) den Fokus auf Anderes zu richten.
  • Nicht zu vergessen der Geruchssinn! Man kann gezielt an Sachen schnuppern oder einfach den typischen Waldgeruch in sich aufsaugen und durch fokussiertes Atmen seine Wahrnehmung auf diesen Moment lenken.
  • Und zu guter Letzt bietet der Wald auch dem Sehsinn, der in unserer heutigen Welt im Alltag am Stärksten gefordert wird (PC/Handy/Stadtleben/Zeitung…), Möglichkeit zur Abwechslung. So kann man entweder seinen Blick in die scheinbare Endlosigkeit von Bäumen schweifen lassen oder achtet bewusst auf die kleinsten Tierchen wie Ameisen oder Käfer.

All dies in Kombination hilft uns dabei uns zu entspannen, unsere Gedanken/Sorgen hinten anzustellen, den Moment zu erleben und dadurch vielleicht auch hinterher eine andere Sicht auf all die Dinge zu bekommen, die uns so im Alltag umtreiben und vereinnahmen.

Jetzt sagen manche: „Na und? Ich wusste vorher schon, dass es gut für mich ist in der Natur zu sein und dass mir Waldspaziergänge helfen. Dafür brauche ich keinen neuen Begriff und keine Bücher darüber!“ Da kann ich nur sagen, absolut korrekt und herzlichen Glückwunsch. Wenn man weiß, was einem persönlich körperlich wie seelisch gut tut, hat man schon viel gewonnen. Dann braucht man vielleicht keinen Ratgeber dazu, freut sich aber vielleicht trotzdem über Routenvorschläge.

Anderen Menschen, die sich bisher nicht so sehr mit derartigen Themen auseinandergesetzt haben, hilft der Begriff und die Berichterstattung eventuell dabei, sich damit auseinanderzusetzen und auch anzufangen, in sich reinzuhören. Vielleicht gibt es auch Menschen, die schon immer gerne im Wald unterwegs waren und jetzt sehen, dass es Forschungsergebnisse gibt, die ihr Empfinden bestätigen und ein Oberbegriff dafür existiert. Das vereinfacht die Kommunikation, weil man erstens merkt, dass man nicht alleine mit seinen Empfindungen ist, sondern es viele Gleichgesinnte gibt. Zweitens gibt es auch ein Label, unter dem sich alle ähnliches vorstellen, was die Kommunikation erleichtern kann. Wieder Andere brauchen vielleicht einen Ratgeber oder einen Führer, der sie an die Hand nimmt und mit ihnen waldbaden geht.

Insofern wäre ich auch nicht so apodiktisch hinsichtlich der Begrifflichkeiten. Für mich bietet Waldbaden als Oberbegriff die Möglichkeit das verschiedene Erkenntnisse, die vorher vielleicht teilweise unter anderen Begrifflichkeiten liefen, einfacher auffindbar sind. In Japan, wo die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Wirkung des Waldbadens (shinrin-yoku) seinen Ursprung hat, wurde der Begriff „forest bathing“ bzw. „forest therapy“ in Fachpublikationen geprägt. Das hat sich dann auch auf die nicht-akademische Welt übertragen. Aber so kann man dann mit diesen beiden Fachbegriffen auch Fachartikel, wie z.B. „Influence of Forest Therapy on Cardiovascular Relaxation in Young Adults“ (Lee et al., 2014) finden ohne Ahnung von medizinischem Fachvokabular haben zu müssen. Das finde ich schon positiv. Zusätzlich ermöglicht es vielen Interessierten sich selbst mit Informationen zu versorgen.

Es ist also wie immer, wenn etwas bekannter wird. Es hilft der Sache und auch vielen Menschen. Auf der anderen Seite wird es kommerzialisiert und das Angebot wird unübersichtlicher und beinhaltet vielleicht auch einiges Altbekanntes unter neuem Etikett. Aber das Schöne ist ja, man kann sich aus dem Angebot das aussuchen, was einem am Meisten zusagt und bekommt vielleicht die ein oder andere unerwartete Inspiration. Und bei einem Waldanteil von 1/3 an der Gesamtfläche in Deutschland, denke ich auch nicht, dass man Angst haben muss, keinen ruhige Waldbade-Ort mehr zu finden.

In diesem Sinne

Waldbaden scheint sich immer größerer Beliebtheit zu erfreuen und als Überbegriff für die Wiederentdeckung von Natur und Wäldern als Heilorte für Körper und Geist zu etablieren. Das hat viel Gutes, aber wie bei jedem Trend auch manchmal negative Auswüchse. Wichtig ist, dass man Interesse bekommt, Waldbaden auszuprobieren und sich dadurch auch insgesamt mehr mit seinem Körper und Geist auseinandersetzt.

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