Warum draußen sein hilft – Teil 1

Nachdem ich wieder häufiger darauf angesprochen wurde, was das denn nun mit dem Waldbaden so Besonderes sein soll, habe ich beschlossen, jetzt einfach eine Art Mini-Serie mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Draußensein zu machen. Denn das Draußensein in unbebauter Umgebung tut generell gut; das Waldbaden im Speziellen hat noch einige weitere positive Komponenten. Was Waldbaden für mich bedeutet, findet Ihr in dem Beitrag „Waldbaden – Was soll das eigentlich sein?„. Seit ein paar Tagen gibt es auch einen Kurz-Beitrag des NDR dazu und die SZ berichtete, dass Ärzte in Kanada inzwischen den Naturaufenthalt verschreiben und Patienten dann keinen Eintritt in die Nationalparks zahlen müssen. Der Zusammenhang zwischen Natur und Gesundheit rückt also immer mehr in den Fokus. Ein Grund mehr hier einige Studien vorzustellen, die sich wissenschaftlich damit auseinandersetzen.

Inhalt

Vorneweg noch eine Meldung, die ich vor einigen Tagen gelesen habe und die noch einmal mehr zeigt, wie wichtig das Thema Bewegung ist. Der neue DKV-Report zeigt deutlich auf, dass die Sitz-Zeiten der Deutschen zunehmen.

Einige Ergebnisse des DKV-Reports

Nur noch 70 %, also 13 % weniger noch als 2010, bewegen sich ausreichend über die Woche hinweg. Laut WHO-Definition sind das über 300 Minuten pro Woche. Dazu zählt jede Form von Bewegung, bei der der Kreislauf in Schwung kommt; es muss also kein Sport im engeren Sinne sein. 11 % erfüllen immerhin das Mindestmaß von 150 Minuten pro Woche und erstaunliche 19 % schaffen nicht einmal diese 150 Minuten. Dafür sind die Sitzzeiten mit 8,5 Stunden pro Tag im Median um über eine Stunde seit 2018 gestiegen. 18-29 Jährige sitzen sogar 10,5 Stunden im Alltag. Und das obwohl bekannt ist, dass zu viel Sitzen schädlich ist und Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt.

Natürlich spiegelt die Studie auch die coronabedingte Home-Office-Situation wieder, so dass bei vielen die Bewegung zum und im Büro wegfiel. Gleichzeitig ist auch die Zahl derjenigen massiv gestiegen, die angeben, nicht mehr ausreichend den erlebten (Arbeits-)Stress kompensieren zu können. Insgesamt also keine gute Entwicklung.

Zeit ein wenig Licht in das Thema Draußensein zu bringen. Neben den Quellen in meinem Waldbade-Buch und dem, was ich bereits vom Waldbade-Kongress im November 2019 geschrieben habe, möchte ich in diesem Teil besonders die Auswirkungen von Natur auf die körperlichen Prozesse des Menschen eingehen. Im Folgeteil soll dann die Psyche im Vordergrund stehen. Beides lässt sich natürlich nicht wirklich voneinander trennen, denn wenn es unserem Körper nicht gut geht, geht es der Psyche auch nicht gut und umgekehrt. Dennoch ist es ein Versuch wert und so wird in diesem Teil die Auswirkung auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit und allgemeines Wohlbefinden liegen. Im zweiten Teil soll es dann um Ängste, Stimmung und Aufmerksamkeit gehen.

Herz-Kreislauf

Zunächst ein Bild zum Einstieg:

Herbstliche gefärbte Bäume
Herbstliche gefärbte Bäume

Die meisten dürften beim Anblick eines solchen Bildes gute Laune bekommen, weil wir evolutionär darauf geprägt sind (Kaya & Epps, 2004). Aber auch unserem Körper tun wir mit einem Naturausflug gut. So sinkt beim Waldbaden der Blutdruck und die Konzentration von Stresshormonen im Speichel (Ochiai et al., 2015). Zudem kann bereits ein kleiner Ausflug in den Wald das parasympatische Nervensystem aktvieren, das den Körper in den Entspannungsmodus versetzt, und eine Verminderung der Herzfrequenz hervorrufen (Lee et al., 2014 / Park B.J. et al, 2010). Dabei reichen schon kleine Naturausflüge, zum Beispiel in größere Stadtgrünanlagen, um die gewünschten Wirkungen zu erzielen. Shanhan et al. (2016) zufolge reicht bereits der Kontakt mit Natur (also z.B. ein Park) von mehr als 30 Minuten pro Woche, um die Häufigkeit von Bluthochdruck in der Untersuchungsgruppe um 9 % zu senken. Dabei ist der Effekt umso größer, je abwechslungsreicher die Natur empfunden wird. Zusätzlich sinkt auch die Häufigkeit von Depressionen in der Untersuchungsgruppe um 7 %. Yeager et al. (2018) untersuchten den Zusammenhang zwischen grünen Nachbarschaften in Städten und dem Auftreten von sogenannten Biomarkern (körpereigenen (Abfall)Stoffen, die Rückschlüsse auf die Körperprozesse und eventuelle Krankheiten anzeigen) im Blut und Urin. Menschen, die in einer grünen Umgebung leben, haben ein aktiveres Gefäßreparatursystem und weniger oxidativen Stress, der zu vielen Krankheiten wie zum Beispiel Arteriosklerose führen kann.

Bis auf die letzte Studie, deren Ergebnisse vom Wohnort abhängig sind, hat man es also relativ leicht selbst in der Hand, sich etwas Gutes zu tun. Schon kleine Ausflüge ins Grüne helfen dem Herz-Kreislaufsystem und man bekommt auch noch gute Laune dabei. Aber das ist noch nicht genug. Schauen wir uns noch andere Bereiche an.

Allgemeines Befinden und Gesundheit

Cleland et al. haben schon 2008 in einer Längsschnittstudie zeigen können, dass bei Kindern, die sich draußen moderat bis intensiv bewegen (Wandern, Laufen, Radeln…), das Risiko für eine spätere Fettleibigkiet um 27-41 % sinkt. Was für Kinder gut ist, kann für Erwachsene nicht schlecht sein. Neben den verminderten Stresshormonen und weniger Aktivität des Sympathikus (siehe oben und Hunter et al., 2019) im Körper bei körperlicher Bewegung im Freien (und vor allem im Wald) stellte Qing Li – quasi der Urvater des Waldbadens – schon 2010 fest, dass bereits mit kurzen Waldspaziergängen (ab ~2 km), die Aktivitiät der Killerzellen im Blut zunimmt und damit langfristig Krebserkrankungen vorgebeugt werden kann.

Pasanen et al. (2017) berichten, dass sie in ihrer Untersuchung feststellen konnten, dass auch die Intention beim Draußensein eine Rolle spielt. So fühlten sich Probanden, die mit dem Vorsatz die Natur zur Entspannung zu besuchen, nach dem Aufenthalt auch entspannter und zufriedener. Dies war bei denjenigen, die raus gingen, um Sport zu treiben oder alleine zu sein, nicht der Fall. Demgegenüber sehen Keniger et al. (2013) viele verschiedene positive Effekte (höheres Selbstbewusstsein, weniger Stress, weniger Kriminalität und Drogenmissbrauch) unabhängig von der Intention. Auch Rita Berto (2014) und Korselka et al. (2019) sehen einen Zusammenhang zwischen einem längeren Naturaufenthalt (30-50 min) und dem Stressempfinden, der emotionalen Ausgeglichenheit und höherer geistiger Leistungsfähigkeit nach einem solchen Ausflug.

Dass man sich nach einem schönen Ausflug nicht nur entspannter sondern auch vitaler fühlt, konnte von Van den Berg et al (2016) bestätigt werden. Nicht nur die Vitalität sondern auch die mentale Gesundheit der untersuchten Personen stieg dabei und White et al. (2017) zufolge führt ein regelmäßiger Ausflug ins Grüne sogar dazu, dass Menschen mehr Sinn in ihrem Leben sehen. In 2019 konnte White et al. sogar zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, sich selbst innerlich gut oder sogar sehr gut zu fühlen, schon nach 120 Minuten pro Woche im Freien bei über 60 % (bzw. über 80 % für ein gutes Gefühl) liegt und bis zum Wert von 300 Minuten im Freien kontinuierlich steigt. Dabei ist es egal, ob diese Wochenzeit am Stück oder in Teilen draußen verbracht wird.

Insgesamt also sehr gute Nachrichten und ehrlich gesagt, haben es alle Outdoor-Fans wahrscheinlich innerlich schon immer gewusst. Dass der Schlaf in Folge häufiger Natur- und Waldbadeausflüge länger und als besser bzw. erholsamer wahrgenommen wird (Shanhan et al., 2016 & Morita et al., 2011) ist noch ein Grund mehr, sich möglichst viel in der Natur aufzuhalten. Bis jetzt ist zwar noch nicht ganz klar, was genau die positiven Effekte in der Natur auslöst: Die Tierwelt, die Pflanzen und Lichtspiele, biologische Stoffe oder alles zusammen. Dennoch unterstreichen die Ergebnisse, wie gut das Draußensein tut und ermutigen zu häufigen Stadtparkspaziergängen und Naturausflügen!

In diesem Sinne

Die Deutschen sitzen immer mehr und sind immer weniger draußen an der frischen Luft. Dabei kommen von Seiten der Wissenschaft immer wieder Erkenntnisse, zu der positiven Wirkung des Draußenseins. Draußen tut gut im wahrsten Sinne des Wortes! Deswegen an Alle die Ermutigung, die Schuhe anzuziehen, und z.B. auf einem meiner vorgeschlagenen Touren die Natur zu genießen und gleichzeitig seine Gesundheit zu fördern.

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