Baum und Mensch

Nach dem großen Bucherfolg von Peter Wohlleben („Das geheime Leben der Bäume“) gibt es nun sogar ein Film dazu in den Kinos. Und so ist das Thema Wald und unser Umgang damit wieder sehr präsent. Dabei wird auch offensichtlich, dass sich die Wissenschaft (in diesem Fall Forstwissenschaft und Biologie) ziiemlich uneins hinsichtlich der Thesen von Herrn Wohlleben und der künftigen Bewirtschaftung unserer Wälder sind. Eine interessante Diskussion dazu findet sich hier und hier.

Es scheint fast so, als gäbe es nur zwei Denkschulen in der Wissenschaft und dazwischen wenig bis nichts. Das erkennt man auch daran, dass Torben Halbe ein Buch mit dem Titel „Das wahre Leben der Bäume“ sozusagen als Gegenantowrt zu Peter Wohlleben geschrieben hat.

Aber jetzt nochmal von vorne angefangen:Einerseits entzündet sich der Streit an der Frage, ob Bäume/Wälder ein Bewusstsein änlich dem der Menschen haben und ob sie eine soziale Interaktion / Kommunikation pflegen bzw. Emotionen haben, wie Menschen. Dazu gehört auch die Frage, ob Bäume „denken“; also ein Nervensystem bzw. ein Gehirn haben, wie wir. Es ist für Menschen immer schwer vorstellbar, dass es Lebewesen gibt, die komplett anders funktionieren als sie selbst (häufiges Thema von Science Fiction-Filmen/Büchern). Intelligenz und Gefühle werden bei vielen an dem bemessen, was wir von uns kennen. Und irgendwie ist der Wald für uns nicht so richtig durchschaubar. Doch haben gerade die Deutschen durch die Geschichte/Mythen (Germanen, Grimm-Märchen, Caspar David Friedrich…) ein besonderes Verhältnis zu Bäumen und Wald und fühlen sich dort hingezogen. Mir gehts im Übrigen nicht anders. Und dennoch scheint dieser Mikrokosmos nach seinen eigenen Regeln zu funktionieren, die wir Menschen nicht komplett verstehen und bei denen wir nicht vorgesehen sind.

Ein Verdienst Wohllebens ist sicherlich, dass nun mehr Menschen Bäume nicht nur als tumbes Stück Holz sehen. Vielmehr ist ein Baum ein komplizierter Organismus, der – wie wir Menschen auch – mit anderen Organismen (Pilzen/Bakterien) interagiert. Ob aber dieser Organismus ein Gehirn hat und ob die Kommunikation über Wurzeln/Pilze und Luftbotenstoffe willentlich und fokussiert an andere Teilnehmer erfolgt oder ob das bloße unkontrollierte biochemische Prozesse sind, das ist unklar.

Natürlich ist auch die Frage, ob das Wissen darüber irgendeinen Unterschied macht; es funktioniert ja schließlich für die Bäume, nach welcher Systematik auch immer. Abgesehen davon sind die Prozesse in unserem Nervensystem und Gehirn im Endeffekt auch „nur“ biochemische Prozesse. Aber wir Menschen würden es natürlich schon gerne wissen, weil wir gerne Kontakt mit unseren Freunden im Geiste aufnehmen würden. Kritiker werfen Wohlleben daher vor Bäume zu vermenschlichen, seine Anhänger sagen, vieles seien notwendige sprachliche Analogien, um Menschen bildhaft darzustellen, wozu Bäume eventuell in der Lage sind.

Damit kommen wir zum zweiten Kritikpunkt, der vor allem für die Forstwirtschaft und Politik relevant ist. Wenn der Wald mein Freund ist und zu Emotionen fähig ist, wie ich es bin: Darf man ihn dann als Rohstoff nutzen und in das Ökosystem eingreifen? Schließlich spielt der Wald in den Vorstellungen der Bioökonomie eine zentrale Rolle: Holz kann zum Bauen, als Treibstoff, zum Heizen, für Kleidung und in Zukunft sicher noch viel mehr genutzt werden. Gleichzeitig ist es nachwachsend und während der Wald steht, kann CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden.

Daneben hat Wald Einfluss auf die Umgebungstemperatur und den Niederschlag, verhindert die Grundwasserabsenkung und Erosion von Böden. Die Liste positiver Eigenschaften ließe sich leicht fortsetzen; es sind aber auf jeden Fall riesige Erwartungen an den Wald. Schwierig wird es allerdings dadurch, dass die Wetterveränderungen jetzt schon Einfluss auf unsere Wälder haben und durch den globalen Warenhandel natürlich auch Schädlinge zu uns kommen, die früher hier nicht existierten.

Die eine Seite argumentiert, man müsse den Wald in Ruhe lassen, auf die Selbstheilungskräfte des Ökosystems vertrauen und die Waldfläche insgesamt vergrößeren. Demgegenüber steht die Forderung aktiv einzugreifen, um hitzeresistentere Arten anzupflanzen und kranke Bäume zu entfernen, bevor andere Bäume befallen werden. Zudem ist die große Frage, wie viele Bäume für wirtschaftliche Zwecke entnommen werden können ohne das Ökosystem zu schädigen.

Letztendlich geht es natürlich auch um Geld: Wenn Waldbesitzer (ob staatlich oder privat) bisher vor allem über Holzverkauf Einnahmen generieren und zukünftig noch mehr Holz benötigt wird, bleibt über kurz oder lang die Ökologie und die anderen positiven Eigenschaften von Wäldern für den Mensch auf der Strecke. Im Endeffekt läuft die Diskussion auf dieselbe Fragestellung hinaus, wie die restliche Klimadebatte: Auf was wären wir zugunsten der Natur bereit zu verzichten.

Erste neue Refinanzierungsansätze gibt es etwa durch Baumpatenschaften, staatliche Zuschüsse für Baumerhalt und veränderte Waldbewirtschaftung oder auch den Tourismus durch Waldtouren und Waldbaden. Aber das kann nur ein Anfang sein, langfristig wird man eine gesamtgesellschaftliche Lösung finden müssen, die die Bürger und Unternehmen an der Finanzierung von Waldflächen direkt oder indirekt beteiligt.

In diesem Sinne: Wald und Bäume lösen Emotionen in uns Menschen aus, wie sich an den aktuell verkauften Bestsellern zeigt. Das Interesse an anderen Organismusformen und die Sehnsucht der Menschen nach Natürlichkeit hat das Potential eine offene Diskussion über unsere Erwartungen an den Wald und die real umsetzbaren Möglichkeiten anzustoßen. Dabei gehört auch die Frage, welchen Wert -auch finanzieller Art- wir Wald geben; schließlich ist es vielmehr als nur Erholungsort und Holzlieferant.

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