Warum draußen sein hilft – Teil 2

Nachdem es im letzten Wissens-Beitrag vor allem um die körperliche Gesundheit ging, soll jetzt die geistige Gesundheit im Vordergrund stehen. Es gilt das bereits Gesagte, dass natürlich Körper und Geist immer im Zusammenhang miteinander stehen, also der ausschließliche Blick auf nur eines davon fehlschlagen muss. Dennoch liegt im heutigen Beitrag der Fokus primär auf Aufmerksamkeit, Stimmung und Ängsten und wie sich diese durch Exposition zur Natur, also dem Draußensein in einer natürlichen Umgebung (größere Parks, Wald, unbebaute Gebiete etc.), verändern.

Inhalt

Zum Einstieg gibt es wieder ein kleines Waldbild 🙂

Hochsitz im Grünen
Sattes Grün hebt die Stimmung

Aufmerksamkeit

In dem bereits im letzten Artikel zitierten Literatur-Überblick von Rita Berto (2014) zur unterstützenden Wirkung der Natur auf die menschliche Regeneration sind neben einem verminderten Stresslevel und der Verminderung negativer Emotionen auch eine Steigerung der Aufmerksamkeit und geistigen Leistungsfähigkeit als positive Natureffekte genannt. Schon 2008 untersuchte Berman et al. den Effekt von Aufenthalten und Spaziergängen in der Natur gegenüber dem in der Stadt. Dabei stellten Sie fest, dass die Probanden unabhänging von ihrer Stimmung nach einem Naturausflug ihre Aufmerksamkeit besser fokussieren können. Den Autoren zufolge liegt das daran, dass unsere Aufmerksamkeit in Städten aufgrund der vielen Reize leidet. Interessanterweise half in dem Experiment schon ein schönes Naturbild, um die Aufmerksamkeit für eine anspruchsvolle mentale Tätigkeit zu erhöhen. Wenn man also gerade nicht rauskann, sollte man sich zumindest seine direkte Umgebung mit Pflanzen und Bildern naturnah einrichten. Auch Hartig et al. (2004) zeigten, dass eine Probandengruppe, die nach einem Spaziergang in einem Naturgebiet eine ihnen gestellte Aufgabe deutlich besser bearbeitete, als die Kontrollgruppe, die durch die Stadt lief. Der positive Einfluss der Natur auf die zielgerichtete Aufmerksamkeit konnte auch von Stenfors et al. im Jahr 2019 bestätigt werden, der umso stärker war, je mehr die Probanden daran gewöhnt waren.

Demgegenüber sieht Stevenson et al. (2019) in einer Untersuchung mit Kindern keine signifikante Steigerung der fokussierten Aufmerksamkeit auf eine spezifische Aufgabe durch einen Naturausflug. Dafür konnte allerdings eine Steigerung der unbewussten Aufmerksamkeit gezeigt werden. Dazu zählt z.B. eine schnellere Reaktionszeit und räumliche Zuordnung eines aufmerksamkeitstriggernden Signals.

Kurt Beil und Douglas Hanes (2013) zufolge spielt auch die Art der Naturumgebung eine Rolle. So führt nur eine Umgebung mit starker Naturausprägung (keine Bebauung) zu einer höheren innerlich wahrgenommenen und messbaren Erholung und einem geringeren Stressempfinden.

Man kann also fast sagen, dass man vor einer Prüfung noch einmal einen ausgedehnten Ausflug in die Natur unternehmen sollte. So kriegt man den Kopf frei und steigert zugleich seine Aufmerksamkeit und das funktioniert, wie das meiste, umso besser, je häufiger man es macht.

Stimmung und Ängste

Auf die Erkenntnisse von Shanhan et al. (2016) zur Verminderung der Depressionshäufigkeit in ihrer Untersuchungsgruppe hatte ich bereits im letzten Artikel hingewiesen. Vor dem Hintergrund der steigenden Anzahl psychischer Erkrankungen und Depressionen in der Gesellschaft ist dies ein wichtiger Hebel zum Gesundheitsschutz. Cox et al. (2017) bestätigen diese Ergebnisse in ihrer Studie mit 1000 Teilnehmern, die Zugang zu einem eigenen Garten haben. Nicht nur sinkt das Depressionsrisiko, sondern die Teilnehmer fühlten sich auch stärker in der Nachbarschaft verankert und hatten ein höheres Zugehörigkeitsgefühl. Dabei waren die Ergebnisse umso besser, je öfter pro Woche die Teilnehmer in ihren Gärten waren, je mehr Bäume darin standen und je länger der jeweilige Aufenthalt dauerte (mit einem Optimum von um die 5 Stunden). Gerade die Tatsache, dass der prozentuale Baumbestand im Garten eine Rolle spielte, lässt vermuten, dass ähnliche Ergebnisse auch außerhalb des Gartens in nahegelegenen Waldstücken auftreten. Auch Bowler et al. (2010) kommen in ihrer Meta-Analyse zu dem Ergebnis, dass die Stimmung durch Outdoor-Aktivitäten steigt. So sehen sie einen Rückgang von Traurigkeit, Erschöpfung, innerer Wut und Angst sowie eine Steigerung des persönlich empfundenen Energielevels.

Wie bereits hier berichtet, exisistieren auch in Deutschland erste Versuche posttraumatische Belastungsstörungen mit Waldbaden zu behandeln und damit die innere Stimmung zu heben und Ängste zu mindern. Bratman et al. fanden in 2015 einen Zusammenhang zwischen einem 50-minütigen Spaziergang in der Natur und verminderter Angst sowie weniger Grübelei und Gedankenkarusseln (ein sich selbst verstärkender Kreislauf schlechter Gedanken). Zudem konnte dadurch die positive Affektivität (Begeisterungsfähigkeit, Zuversicht, Aktivität …) gestärkt werden und negative Affektivität leicht reduziert werden. Gerade die positive Affektivität wird in der psychologischen Literatur mit einem erfüllteren und längeren Leben assoziiert, da Personen besser mit den Widrigkeiten des Lebens umgehen können, zugewandter zu Neuem und anderen Personen sind und zielorientierter agieren.

Auch wenn Naturausflüge sicher keinen angeborenen Charakter ändern werden, so können sie doch helfen, schlechte Phasen besser zu überstehen und ein bisschen positive innere Energie zu liefern. Nicht umsonst gibt es viele Bücher und Filme über Menschen, die sich in einer persönlichen Krisenphase auf große Wanderungen begeben und dadurch wieder einen anderen Blick auf die Welt und sich selbst bekommen.

Eine neue Studie aus Finnaland von diesem Jahr (Turunen et al. (2023)) scheint die bisherigen Ergebnisse auf geistige und körperliche Stärkung durch Natur zu bestätigen. Untersucht wurden 16.000 Bürger aus der Region Helsinki auf Ihre Medikamenteneinnahme von Psychopharmaka und Blutdrucksenkern sowie ihre Wohnonähe zu Grün- und Wasserflächen sowie deren aktive Nutzung. Während die reine Verfügbarkeit bzw. Sicht auf Grün- bzw. Blau(Wasser-)flächen wenig Auswirkungen zu haben schien, sank die Einnahme von Medikamenten gegen psychische Leiden oder Bluthochdruck und sogar Asthma deutlich, wenn die Betroffenen die verfügbaren Grünflächen mehrmals pro Woche nutzten (3-4 mal schnitt am Besten ab). Der Effekt war umso stärker, je weniger Haushaltseinkommen die jeweilige Person zur Verfügung hatte, was nicht erstaunt, da wohlhabendere Menschen häufig Gesundheitsdienstleistungen (Kurzurlaube in Retreats, Fitnessstudio-Mitgliedschaften etc…) konsumieren können. Vor dem Hintergrund, dass Finnland sehr wald- und wasserreich ist erstaunt es auch nicht, dass der Faktor der Nähe zu Grün-und Blauflächen wenig Einfluss hat, da er wahrscheinlich ohnehin bei einem Großteil der Menschen erfüllt ist. Es wäre interessant, Studien in Wüstenstädten dazu als Gegenprobe durchzuführen.

Das waren jetzt nur einige, wenige Beiträge aus der Wissenschaft, die verdeutlichen, wie gut es uns tut, draußen unterwegs zu sein. Wenn Ihr diese Mini-Serie interessant fandet und oder noch weitere Quellen hier mit aufgenommen sehen wollt, schreibt mir gerne oder nutzt die Kommentarbox. So hat jeder Leser etwas davon!

In diesem Sinne

In dieser kleinen Mini-Serie habe ich einen Kurz-Überblick über wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Waldbaden und Draußensein gegeben. Dabei zeigt sich, dass uns Naturausflüge sowohl körperlich als auch geistig gut tun und auch langfristig positiv auf unsere Gesundheit, Stimmung und Leistungsfähigkeit einwirken. Falsch machen kann man dabei eigentlich nichts und negative Auswirkungen eines übermäßigen „Naturkonsums“ sind auch keine bekannt. Im Blog und Internet findet Ihr einige Anregungen für leichte oder anspruchsvollere Wanderungen. Also worauf warten?

Ein Kommentar

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