An der Isar hinauf bis Krün – Isartour Teil 8

Was lange währt, wird endlich gut! Fast ein Jahr hat es jetzt gedauert, bis ich meine Isartour vom letzten Endpunkt am Sylvensteinspeichersee fortsetzen konnte. Dieser Abschnitt ist tatsächlich der Kniffligste was die An- und Abreise angeht, da zwischen dem Start- und Zielpunkt nur eine kleine Mautstraße als Verbindung existiert. Wenn man wie ich dann zusätzlich das Ziel hat, überall mit den Öffentlichen hinzugelangen, wird es noch einmal komplizierter. Der Bus von Lenggries nach Eng fährt nur im Sommer und die Bahnstrecke von und nach Garmisch bzw. Mittenwald war wegen dem tragischen Bahnunfall nun auch monatelang gesperrt. Jetzt ist die Anreise aber wieder möglich und so gibt es jetzt die Passage vom Isarwinkel hoch nach Krün im oberen Isartal.

Inhalt

Kleiner Hinweis vorab: Es gibt bei diesem Abschnitt keine Ausstiegsmöglichkeit und von Vorderriß bis Wallgau auch keine Ortschaft. Also muss man den ganzen Abschnitt von 28 km am Stück laufen oder – wie Carmen Rohrbach in Ihrem Erlebnisbuch über ihre Isarwanderung – ein Zelt mitnehmen. Gerade deswegen ist dieser Abschnitt aber landschaftlich auch besonders schön: Sanfte Berghänge, das glitzernde smaragdgrün bis cyanblau schimmernde Wasser der in Teilen frei mäandernden Isar, kaum Lärm und weite Blicke. Bei gutem Wetter und Sommer lockt auch noch ein Sprung in das kühle Nass, also beste Voraussetzungen für einen gelungenen Ausflug und gute Laune!

Routenüberblick

Neben den Tagestouren auf meiner Fernwanderung ist dies mit über 28km meine bisher längste Wanderroute hier auf Draußen tut gut!. Gutes Schuhwerk und Wandersocken kann ich daher jedem, der nicht will, dass die Füße nach der Hälfte der Strecke schlapp machen, nur wärmstens ans Herz legen. Startpunkt der heutigen Route ist Fall am Sylvensteinsee und dann geht es immer entgegen der Fließrichtung der Isar bis nach Krün. Nach Fall bringt einen von Juni bis Oktober der Bergbus von Lenggries nach Eng. Aber aufgepasst! Er fährt nur dreimal am frühen Vormittag, dann erst wieder zum Spätnachmittag. Von Krün gibt es einen Bus entweder nach Kochel am See oder nach Mittenwald, von wo jeweils eine Regionalbahn fährt. Insgesamt empfehle ich mindestens 7 Stunden für die Wanderung einzuplanen, mit ausführlicher Brotzeit- und/oder Badepause auch mehr. Einkehrmöglichkeiten gibt es nur in Vorderriß und dann erst wieder auf Höhe von Wallgau (Auhütte), also sollte ausreichend Proviant für den Tagesausflug mitgenommen werden.

Hier noch einmal die Kurzübersicht zur Route

Sylvensteinsee - Krün (Download Route)

Routen-EndpunkteFall am Sylvenstein
Krün
Routen ÖPNV-AnschlussBus & Regionalbahn
Routenlänge28,63 km
Routendauer7 - 8 Stunden
Routen-Höhendifferenz⬈ 471 Hm
⬊ 363 Hm

und die Karte

Am Sylvensteinspeichersee bis Vorderriß

Nach der etwas langwierigen Anreise mit Zug und Bus heißt es erst einmal durchschnaufen, den Ausblick genießen und die Häuseransammlung Fall „erkunden“. Letzteres ist schnell erledigt, gibt es hier doch nur ein paar Hütten, die im Übrigen auch nicht am ursprünglichen Ort des Flößer-Dorf „Fall“ stehen. Das ursprüngliche Dorf der früheren Isar-Klamm und den Wasserfällen wurde im Zuge des Staudammbaus und der Flutung aufgegeben und die Flößerei gibt es ja auch nur noch zur Gaudi zwischen Wolfratshausen und München.

Den kleinen Abhang am Ortsende geht es hinab durch den Wald an den Dürracher Teil des Stausee, wo uns bereits eine einladende Kulisse erwartet:

Traumblick auf den Dürracher Teil des Sylvensteinspeichersees
Ausblick auf den Dürracher Teil des Sylvensteinspeichersees

Wer will kann hier mit den wenigen anderen Badewütigen gleich eine Abkühlung nehmen, allerdings sind noch ein paar Kilometer zu gehen, deswegen würde ich mir den Badespaß für später aufheben.

Unter der Faller-Klamm-Brücke – die nach meinem Geschmack zu betonlastig für die Gegend ist – geht es auf die westliche Seite des Speichersees, den Isarteil sozusagen. Auch hier wartet eine bezaubernde Aussicht mit blau-grün schimmerndem Wasser und ein extra ausgewiesener Badeplatz mit Kiosk. Ganz am Ende des Horizonts zwischen den Tälern liegt unser heutiges Tagesziel, so weit weg, dass man es nicht mehr sieht.

Blick auf den Sylvensteinsee bei Fall in Richtung Vorderriß
Der Sylvensteinsee bei Fall bietet eine Traumkulisse

Mit diesem positiven Einstieg in den Tag geht es nun am linken Seeufer auf einem normalen Kiesweg immer gen Westen. Die Landstraße zur Linken ist gerade im Sommer mit den Motorradfahrern nicht zu überhören, auch wenn die Straße einige Meter erhöht liegt und die umgebenden Bäume einiges an Lärm wegfiltern. Ca. 5 km folgen wir dem Weg mit dem schönen Blick auf den See, dann trennt sich die Landstraße von unserem Weg und wir gelangen in den deutlich ruhigeren Flussbettbereich.

Noch einmal ein Blick zurück auf den See, der zumindest von hier überhaupt nicht nach einem künstlichen Stausee aussieht:

Zwischen Vorderriß und Fall Blick auf den Sylvensteinsee und die Faller-Klamm-Brücke
Blick zurück auf den Speichersee und die Faller-Klamm-Brücke

Auf dem Kies wachsen ein paar Sträucher und die Isar schlägt je nach Wasserstand kleine Rinnen in die Kieshaufen. Allerdings so richtig mäandern kann der Fluss hier auch nicht, weil im Zuge des Speicherseebaus nicht nur die Staumauer gebaut wurde sondern hier 6km weit entfernt davon auch eine sogenannte „Geschiebesperre“. Das soll dazu dienen, dass das Sediment und die angeschwemmten Steine sich nicht vor der Staumauer und den Turbinen ablagern, führt aber leider dazu dass die Isar ein weiteres Mal gebremst wird und für die Wasserbewohner eine weitere Barriere existiert. Und auch Badewütige sollten hier wegen der unterirdischen Wasser-Durchlässe und Strömungen Abstand halten; auch wenn das Wasser geradezu zum Reinspringen einlädt:

Die Geschiebesperre der Isar zwischen Fall und Vorderriß
Bei der Geschiebesperre funkelt die Isar in den schönsten Blau-Grüntönen

Westlich der Geschiebesperre verläuft dann unser Weg weiter auf sandigem Boden im Flussbett vorbei an Sträuchern und einzelnen Bäumen, ein wenig Heidefeeling kommt auf. Überall zirbt und zwitschert es, der Fauna scheint es zu gefallen. Weitere 6 km später ist auch das 5-Häuser Dorf Vorderriß erreicht, wo die überdimensionierte Landstraße endet und die mautpflichtigen Verbindungsstraße nach Wallgau bzw. in das Enger Tal und den Karwendel abgehen. Als ich ankam, war hier große Polizeikontrolle und einige Fahrer mit besonders lauten Motorrädern wurden zur Kasse gebeten.

Vorbei am Rißbach dem Isarlauf folgend bis kurz vor Wallgau

Vorderriß, ebenfalls ein früheres Flößerdorf, besteht vornehmlich aus einem Hotel und einem Gebäude der Staatsforsten. Unser Weg führt zunächst über die Brück auf die andere Seite der Isar und dann ein Stückchen auf der Mautstraße. Von hier haben wir den Komplettblick auf den Rißbach bzw. das was davon übrig geblieben ist, nämlich Kieswüste:

Mündung des komplett in den Walchensee abgeleiteten Rißbach in die Isar bei Vorderriß
Der Rißbach existiert nur noch bei Hochwasser. Zurück bleibt eine Steinwüste

Die Isar gleicht hier auch eher einem kleinen Bächlein, obwohl sie hier schon mehrere zig Kilometer von der Quelle zurückgelegt hat. Schuld an dieser Einöde ist das Walchenseekraftwerk, das seit Anfang der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts in Betrieb ist. Die Wassermenge, die durch die natürlichen Zuflüsse des Walchensees zugeführt wird, reicht nicht aus für die Leistung, die das Kraftwerk abwerfen soll. Also hatte man vor knapp 100 Jahren kurzerhand beschlossen, von der Isar und dem Rißbach Wasser umzuleiten und in den Walchensee zu speisen. Das ganze passiert durch extra dafür errichtete Stollen unter der den Walchensee umschließenden Bergkette hindurch. Das Ergebnis dieser „Energiepolitik“ kann man nun hier bestaunen und so erscheint es fraglich, ob Wasserkraft bei der Naturzerstörung wirklich eine nachhaltige Energie ist.

Früher wurde auch das gesamte Wasser der Isar umgeleitet, sodass an der Stelle, an der wir uns gerade befinden kein einziger Tropfen floss. 1990 wurde der Betreiber dann nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit Anwohnern und Naturschutzvereinen gerichtlich dazu verpflichtet, nur noch einen Teil (allerdings nach wie vor mehr als die Hälfte) der Wassermenge der Isar zu entnehmen. Immerhin gibt es jetzt wieder eine Isar am Oberlauf. Das Kraftwerk gehört mittlerweile dem Staat (Uniper) und die Wasser-Konzession läuft „nur“ noch bis 2030, dann müsste die bayerische Regierung laut EU-Wasserrahmenrichtlinie dafür sorgen, dass die Wasserläufe und umgebenden Gebiete wieder mindestens einen guten ökologischen Zustand haben, d.h. die Wehre passierbar werden und weniger Wasser entnommen wird. Wer mehr dazu lesen möchte, findet hier weitere Informationen (Rettet die Isar, Wasserrahmenrichtlinie).

Von der Steinwüste und der ebenfalls lauten Maut-Straße abgeschreckt – ich ging davon aus, dass hier wegen der Maut weniger Verkehr ist – versuche ich schnell wieder ins Grüne zu kommen. Das gelingt zum Glück schnell und nur etwas mehr als 1 km nach Vorderriß stehe ich wieder auf einer Brücke, die mich auf die der Straße abgewandten Uferseite bringt. Ein Blick RIchtung Westen mit cyanblauer Isar und bewaldeteten, grünen Hängen bringt mich schnell aber wieder runter und lässt entspannen.

Blick vom Isarsteg hinter Vorderriß flußaufwärts nach Wallgau
Ganz hinten am Horizont liegt das heutige Ziel, Krün

Auf der anderen Seite angekommen, wartet ein kleiner Anstieg auf das Hochufer. Das kleine Vorderriß thront über der Isar. Würde man nicht genau hingucken und den schmalen Wasserlauf in dem breiten Flussbett nicht komisch finden, hätte man den Eindruck von nahezu unberührter Natur.

Das kleine Vorderriß thront über der Isar
Das kleine Vorderriß thront bilderbuchmäßig über der Isar

Nach knapp 13 km seit Start sind wir nun im natürlicheren Teil der heutigen Isartour angekommen. Hier sind auch deutlich weniger Menschen unterwegs, weil hier keine Autos erlaubt sind. So kehrt mit jedem Meter mehr auf dem Waldweg auch deutlich mehr innere Ruhe ein. Neben ausgedehnten Abschnitten durch den Wald, die gut als Postkartenmotiv funktionieren würden:

Der Weg von Vorderriß nach Wallgau führt auf festen Forstwegen durch eine idyllische Berglandschaft
Der etwas harte Forstweg führt durch eine idyllische Berglandschaft

führt der Weg auch immer wieder direkt an die Kante des Hochufers mit ebenfalls postkartentauglichen Ausblicken auf die Isar:

Eine der Isar-Hufeisenkurven im Panorama
Eine der vielen Isar-Hufeisenkurven im Panorama

Nur baden wird hier schwierig, weil man dazu den abschüssigen und rutschigen Hang hinunter kommen müsste. So bleibt es beim Gucken, entspannen und den eigenen Gedanken nachhängen mit mehreren kleinen Päuschen zwischendrin. Entdecken kann man in diesem Abschnitt aber auch, dass die Isar Platz hat zu mäandern und das trotz der geringen Wassermenge auch immer wieder tut:

Unterhalb des Grasberg und Pfetterkopf kann die Isar noch mäandern und verschiedene Arme ausbilden
Hier ist die Landschaft fast noch unberührt und die Isar mäandert durch das Tal

Mit deutlich mehr Wasser würden die Kiesbänke auch häufiger überflutet und neu mit Sediment versorgt, sodass einerseits die Pflanzen – wie typisch für derartige magere Vegetation – nicht zu hoch wachsen und auch immer wieder Totarme entstehen könnten, in der sich andere Lebewesen dann wieder wohlfühlen.

Die Naturkulisse wirkt wie Balsam für die vom Alltag und Zivilisationslärm geplagte Seele und so geht es gemütlich dahin, wobei man unweigerlich das Zeitgefühl verliert. Nach gut 10 km auf diesem abwechslungsreichen und ruhigen Wegabschnitt ist die Auhütte bei Wallgau erreicht. Wer vorher noch keine Pause eingelegt oder seine Brotzeit vergessen hat, findet hier Linderung.

Letzter Abschnitt über das Kraftwerk nach Krün

Frisch gestärkt oder auch einfach nur kurz erholt, folgt nun der letzte Abschnitt am Oberlauf der Isar. Von der Hütte führt ein Weg das höher gelegene Ufer hinab in die tiefer gelegene Heidefläche um den Isarlauf herum. Hier stehen im Gegensatz zum bisherigen baumreichen Waldabschnitt vor allem Sträucher, nur ab und zu ist ein Baum zu sehen. Die magere Wiesenfläche geht fast nahtlos in das kieselige Bachbett der Isar über. Der ideale Ort für einen Badestop, sofern man vorher noch nicht ausreichend in der Isar war.

Nicht einmal 1 km später ist die Brücke am Gweih – über die Isar nach Wallgau – erreicht. Wir halten uns weiterhin auf der östlichen Isarseite und folgen dem Flusslauf weiter hinauf. Auch wenn man es bis auf einen etwas steileren Anstieg im Wald-Abschnitt zwischendrin kaum gemerkt hat, sind wir inzwischen fast 100 Meter über unserem Startpunkt bei Fall. Und das bei bisher knapp 24 km Wegstrecke. Das ist schon ein ordentliches Gefälle für einen Fluss.

Nach weiteren 2 km ist dann auch die nächste Brücke erreicht: Der Krüner Steg. Hier gönnen wir uns noch einmal einen Blick auf Fluss und Ufer vor schöner Kulisse des imposanten Karwendelgebirges.

Blick auf die Isar flußaufwärts beim Krüner Steg
Die Isar mit relativ wenig Wasser vor dem Karwendelgebirge

Wer jetzt – wie ich – gedacht hat, dass das schöne Isarambiente so weitergeht bis zur Quelle wird leider bitter enttäuscht. Nur wenige Minuten später steht man vor der nächsten Beton-Schandtat.

Die Isar hinter der Betonwüste von Krüner Wehr
Der Flusslauf wurde durch dieses hässliche Betonwehr bei Krün komplett verschandelt

Mitten im Fluss steht das Krüner-Wehr, das zur Steuerung der Wassermenge in den Walchensee genutzt wird. Wie schon geschrieben wird hier – ähnlich dem Rißbach – der Isar Wasser entzogen, um das Walchenseekraftwerk überhaupt wirtschaftlich betreiben zu können. Im Gegensatz zum Rißbach muss bei der Isar hier noch eine gewisse Menge Wasser in den natürlichen Lauf gespeist werden. Der Gutteil geht allerdings in einem ebenfalls keinen Schönheitswettbewerb gewinnendem Kanal zum Walchensee.

Der Isarkanal hinter dem Krüner Wehr leitet das Wasser in den Walchensee
Der Großteil des Isarwassers wird in den Walchensee abgeleitet

Neben der Tatsache, dass früher gar kein Wasser über den natürlichen Lauf geleitet wurde ist es heutiger Sicht nicht nachvollziehbar, dass das Wehr bis in die 1990 nicht einmal eine Fischtreppe hatte. Das Leben im Fluss war also komplett gestört.

Wir verlassen diese triste Umgebung mit einem anderen Blick auf die Wasserkraft und machen noch einen kurzen Abstecher zum Stausee bevor es zur Bushaltestelle geht. Hier am See scheint die Natur zumindest halbwegs intakt, so nah liegen manchmal Kontraste beianander.

Der Isarstausee vor dem Krüner Wehr
Der Isarstausee vor dem Krüner Wehr

In diesem Sinne

Ein weiterer Abschnitt auf der Isartour von München bis zur Quelle ist geschafft und was für einer. Mit fast 30 km wird einem körperlich einiges abverlangt und auch landschaftlich ist alles dabei. Von absoluter Idylle mit Ruhe, tollen Ausblicken auf Wasser und umgebende Berge und Badevergnügen bis zur direkten Konfrontation mit der Naturzerstörung durch den gesellschaftlichen Hunger nach Energie. Insgesamt überwiegen aber deutlich die Vorteile, so dass ich jedem nur empfehlen kann möglichst viel Zeit mitzunehmen und den waldreichen Mittelabschnitt in aller Ruhe zu erkunden und zu genießen. Man fährt anders nach Hause, als man gekommen ist.

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