Auf die karstige Rote Flüh im Tannheimer Gebirge

Genug vom Flachlandwandern und dem wechselhaften Wetter zum Frühlingsanfang. Jetzt wird es Zeit für den Start in die Wandersaison 2024 und so geht’s auch gleich hoch hinaus. Dafür habe ich mir die Rote Flüh im Tannheimer Tal ausgesucht. Das liegt zwar nicht mehr in Deutschland, aber grenzt direkt ans Allgäu und ist an vielen Stellen nicht einmal km Luftlinie von der Grenze entfernt. Nicht unbedingt der bekannteste Berg und vor allem nicht so einfach mit den Öffentlichen zu erreichen. Dafür bietet sich aber eine schöne Bergtour durch ein wahres Kletterparadies in diesem Teil der Alpen. Kontakt mit dem ein oder anderen tierischen Bergbewohner gibt es obendrauf.

Inhalt

Die Rote Flüh ist Teil der Tannheimer Berge und bietet einen traumhaften Ausblick über das Tal und vor allem den Haldensee, sobald man es einmal nach oben geschafft hat 🙂 Insgesamt ist die Route sehr gut zu begehen, zwei kleinere Stellen sind mit Seilen gesichert, sodass auch ein wenig Klettersteig-Feeling aufkommt. Richtig Kraxeln wie die Kletterer an den verschiedenen Flanken des Gimpelvorbaus muss man aber nicht. Wer viel Zeit hat, kann sich im Gimpelhaus für ein paar Tage einquartieren und neben der Roten Flüh noch den Gimpel, die Kellenspitze und die weiteren Gipfel in diesem karstigen Gebirgszug bewandern. Auch interessant für Klettersteig-Fans ist der Weg vom Gimpelhaus über die Rote Flüh zum Füssener Jöchle.

Routenüberblick

Für uns steht heute eine reine Bergtour an: Also von der kleinen Ortschaft Nesselwängle (nicht zu verwechseln mit Nesselwang auf der anderen Seite der Bergkette) über das Gimpelhaus hinauf auf die Rote Flüh und wieder hinab. Die knapp 1000 Höhenmeter bis zum Gipfel sind gut in 2,5 – 3 Stunden zu schaffen und entsprechend dauert die ganze Tour gute 5 Stunden. Die Rote Flüh ist mit etwas über 2100 Metern ü. NN dennoch kein Einsteigerberg, d.h. richtige Schuhe mit ausreichend Profil sowie keine flatternde Kleidung zum Marsch durch die geröllige Steinscharte kurz vor dem Gipfel ist Pflicht. Den Ausgangsort Nesselwängle erreicht man nur mit dem Bus von Reutte in Tirol, wo immerhin auch ein Anschluss an die Bahn besteht.

RoteFlüh (Download Route)

Draußen tut gut!-Symbol Start-/Zielort RouteNesselwängle
Draußen tut gut!-Symbol ÖPNV-Anschluss RouteBus
Draußen8,4 km
Draußen tut gut!-Symbol Zeitbedarf Route4,5 - 5 Stunden
Draußen tut gut!-Symbol Höhendifferenz Route⬈ 993 Hm
⬊ 993 Hm

und so gehts am Gimpel vorbei auf die Rote Flüh

Steiler Aufstieg von Nesselwängle bis zum Gimpelhaus

Sobald die Schuhe festgeschnürt und der Rucksack richtig sitzt, geht es durch den kleinen Ort mit seinen für diese Region sehr typischen Häusern. Wenn man sich die Touristen und Neuerungen der heutigen Zeit wegdenkt, kann man sich gut in die Erzählung von W.G. Sebald über seinen Weg von Schattwald nach Wertach hineinversetzen: Karg und einsam muss das Leben hier in diesem Tal gewesen sein; vor allem im Winter. Die Menschen waren entsprechend abgehärtet und wenig gastfreundlich. Immerhin Letzteres hat sich geändert.

Ein Blick nach oben zeigt uns das raue Tagesziel; es wirkt so weit entfernt und von dieser Seite aus unerreichbar – zum Glück verläuft der Aufstieg über die Rückseite.

Das Bergmassiv rund um die Rote Flüh von Nesselwängle aus
Das heutige Tagesziel wirkt von unten riesig und rau

Wir halten uns in nordwestlicher Richtung und folgen den Straßen bis zum Hotel Berghof. Hier startet der breite Panoramaweg von dem man schon einen ersten Ausblick auf den Haldensee genießen kann – aber keine Sorge von oben ist’s schöner :). Unter der Materialbahn hindurch geht es wieder nach Osten, allerdings konstant bergauf bis zum Tiefenbach. Hier halten wir uns links auf den Trampelpfad, das Gimpelhaus steht schon auf den Schildern angeschrieben. Nach gut 1 Kilometer Wegstrecke haben wir ganze 100 Höhenmeter geschafft. Nicht so viel :), dafür geht es aber jetzt ordentlich bergauf.

In größeren Kurven mit immer wieder kurzen und steilen Kleinstserpentinen steigen wir direkt am von Bäumen geschützten Hang steil hinauf. Das ist ziemlich schweißtreibend und zum Glück stehen hier viele Bäume, sonst wären wir der Sonne erbarmungslos ausgeliefert. Gut 1,5 km und 400 Höhenmeter später hört man schon die vielen Stimmen rund um das Gimpelhaus. Es ist nicht nur Unterkunft, sondern auch Einkehrmöglichkeit und wird gerne von Kletterern als Übernachtungsmöglichkeit genutzt – überall sind Seile und Kletterschuhe zum Auslüften zu sehen. Zwischendurch hat man immer wieder die Chance auf tolle Blick ins Tal, so wie diesen:

Blick hinab ins Tannheimer Tal; Weißenbach am Inn kann man nur erahnen
Blick hinab ins Tannheimer Tal; Weißenbach am Inn kann man nur erahnen

und diesen auf den in der Sonne funkelnden Haldensee

Blick auf den Haldensee vom Gimpelhaus aus
Der Haldensee liegt funkelnd zwischen den Bergrücken

Weiter bis zu den Kletterfelsen und zur Judenscharte

Wir sparen uns die große Rast für später auf dem Gipfel auf und halten uns an den zahlreichen Weggabelungen immer nach den Schildern zum Gimpel. Noch ist das Felsmassiv nicht umrundet und so geht es auf Wiesen und kleinen Trampelpfaden immer weiter auf die Felswände zu. Auch hier lässt die Steigung nicht nach, auch wenn es nicht mehr ganz so steil den Hang hinauf geht wie im ersten Abschnitt.

Nur wenige Hundert Meter später haben wir das Felsmassiv vom Hochwiesler passiert und stehen in einer Art Senke zwischen den Bergen der ersten Reihe (Rote Flüh, Hochwiesler) und jenen der zweiten Reihe (Gimpel, Schäfer, Kellenspitze). Man merkt sogleich, dass wir uns der Grenze von 2000 Metern ü. NN nähern: Die Wege werden gerölliger, das Grün weniger und vor allem gibt es nur noch Latschenkiefer, die sich gegen das widrige Wetter hier oben stemmen; und ein wenig Gras. Und über dieser Kulisse thronen die Kalkfelsen der zweiten Gipfelreihe;

Der Gimpelvorbau ist einer der Kletter-Hotspots in der Region
Der Gimpelvorbau: Ein Paradies für Kletterer

Wie man sieht – und je näher man kommt, desto besser – bieten die relativ geraden Felsen mit ihren kanten und Ecken ideale Bedingungen für Felskletterer. Deswegen sind hier auch ganze Gruppen unterwegs, auch wenn es nicht ganz ungefährlich ist und immer wieder Abstürze passieren.

Unsere weitere Route führt weiter in die Senke hinein und dann auf das geröllige Feld (links im Bild), sodass wir einmal unterhalb des Gimpelvorbaus traversierend zur Judenscharte gelangen. Warum diese Verbindung zwischen Gimpel und Roter Flüh so heißt, keine Ahnung, der Begriff ist aber anscheinend schon über 100 Jahre alt.

Während wir hier unterwegs sind, können wir immer wieder einen Blick auf die tierischen Bergbewohner werfen: Die Gämse. Sie sind scheinbar ziemlich unbeeindruckt von den vielen Kletterern und Wanderern und stehen mitten am hellichten Tag – sonst sind sie eigentlich in der Dämmerung aktiv – hier oben in den Senke und freuen sich über das saftige Gras:

In der Bergsenke oberhalb des Gimpelhauses fühlen sich Gämse wohl
In der Bergsenke oberhalb des Gimpelhauses fühlen sich Gämse wohl

Endspurt zum Gipfel

Wieder einen Kilometer und 400 Höhenmeter weiter ist der normale Wanderpfad nun auf knapp 2000 Metern ü. NN zu Ende und es wartet ein gesicherter Aufstieg im Fels:

Die letzten Höhenmeter auf die Rote Flüh sind sehr felsig und gesichert
Felsiger Aufstieg auf den oberen hundert Höhenmeter zur Roten Flüh

Ab hier heißt es langsam aufsteigen, da die einzelnen Felsen doch sehr rutschig sein können. So geht es im Gänsemarsch hintereinander hinauf – bei sehr gutem Wetter kann hier durchaus auch Stau entstehen. Der Weg verläuft nach dem gesicherten Treppenteil in einer wenige Dutzend Meter breiten Zunge zwischen den beiden Abhängen in Richtung Gipfel. Immer wieder müssen große Steine überstiegen werden und so verlangen diese letzten 100 Höhenmeter einem doch noch einmal ordentlich was ab.

Aber irgendwann hat auch dieser Abschnitt sein Ende und wir erreichen den Gipfel mit seinem riesigen Metallkreuz:

Ein Ungetüm von Gipfelkreuz auf der Roten Flüh
Ein Ungetüm von Gipfelkreuz auf der Roten Flüh

Ich hatte leider etwas Pech: Gerade als ich angekommen bin, hat sich der leichte Nebel, der sich mittlerweile zusammengebraut hat, verdichtet. So hatte ich nur kleine Blicke in die Nebellöcher und konnte dann doch diesen Blick auf unseren Startpunkt, Nesselwängle, erhaschen:

Der kleine Ort Nesselwängle im Tannheimer Tal von der Roten Flüh
Zwischen den Nebelschwaden erkennt man Nesselwängle und am Horizont das tiefer liegende Lechtal

Bei strahlendem Sonnenschein kann man hier bis ins Lechtal blicken und natürlich in die Hochalpen mit der Lachenspitze, Gais- und Rauhorn und erkennt am Horizont den alle überragenden Hochvogel. Mir blieb nur der Blick ins Tannheimer Tal und auch der wurde immer trüber, sodass ich langsam den Rückweg antrat: Nichts ist blöder als im felsigen Gebirge durch eine Nebelsuppe staksen zu müssen und am Ende sogar in ein Gewitter zu kommen.

Über denselben Weg geht es nun wieder hinab zum Gimpelhaus und hinab nach Nesselwängle. Trotz der nicht ganz so spektakulären Gipfelaussicht war diese Bergtour ein gelungener Auftakt in die neue Wandersaison, bei der ich auch gleich Gämse begrüßen durfte. Die 1000 Höhenmeter Auf- und Abstieg machen sich bemerkbar und so gelangt man glücklich aber platt in die Unterkunft, die nächsten Bergtouren nach den vielen Inspirationen auf dem Weg schon im Kopf.

In diesem Sinne

Das Jahr ist wieder einige Monate alt und der Schnee in höheren Lagen zieht sich immer weiter zurück. Zeit für den Start in die neue Wandersaison und wie so oft, zieht es mich dafür in das besonders bezaubernde Tannheimer Tal, heute auf die Rote Flüh. Mit etwas über 2100 Meter ü. NN ist die Tour nicht ganz ohne für den Saisonstart, allerdings gut zu erwandern ohne besonders ausgesetzte Wegteile. Bergwanderungen haben ihre ganz eigene Wirkung auf den Körper: Die Anstrengung durch die Höhendifferenz zusammen mit der Höhenluft, dem Erfolgsgefühl, wenn der Gipfel erklommen ist und natürlich das Wandern an sich: Eine ideale Mischung, um gut gelaunt und köperlich ausgepowert zurückzukommen. Das einzige Manko: Man will danach am Liebsten gleich weitermachen 🙂

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